Text und Fotos von Astrid Weyermüller, www.kirche-bielefeld.de
Mit etwa siebzig Teilnehmenden stieß der Auftakt zum Bielefelder Kirchensommer an der Neustädter Marienkirche auf reges Interesse. Durch acht Jahrhunderte führte der Rundgang unter der kundigen Leitung von Dr. Ulrich Althöfer, der den Teilnehmenden buchstäblich unterschiedliche Zugänge zur historischen Stadtkirche eröffnete. Der Nordeingang stand dabei für den der Stiftsherren, der Südeingang für die Gemeindekirche und der Westeingang – heute der Haupteingang – für die beste Sicht auf den aktuell hellen, weiten Kirchraum.
Gebaut wurde die Kirche im 13. Jahrhundert – Bielefeld florierte und die Grafen hatten sich auf der Sparrenburg angesiedelt – auf Veranlassung der Grafen Otto III von Ravensberg an einer Pfarrkirche als Stiftskirche und Grablege. Die Bautätigkeiten dauerten an bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Da war die Kirche gefüllt mit vielen Ausstattungsstücken, unter anderem mit etwa zwanzig Altären. Das Kirchenschiff wurde als Gemeindekirche benutzt, der Hohe Chor war den Stiftsherren vorbehalten. Ein Lettner – eine reich gestaltete Wand zwischen Laienbereich und Klerikerbereich – trennte sie voneinander. Kunsthistoriker Ulrich Althöfer hebt hervor, dass die gräflichen Tumbe von Otto III von Ravensberg und seiner Gemahlin Hedwig zur Lippe, die anfangs im Zentrum des Hohen Chors standen, für ihre Zeit „herausragende Kunstwerke“ sind. „Die Figuren liegen und stehen gleichzeitig, wie man am Faltenwurf der Gewänder erkennen kann. Das ist ein wunderbarer Hinweis auf das Leben im Jenseits, das außerdem durch die Baldachine über ihren Köpfen ergänzt wird – die symbolisieren das himmlische Jerusalem“, erläutert Althöfer.
Seit Mitte des 16. Jahrhunderts hielt die Reformation Einzug in Bielefeld. Die Neustädter Marienkirche wurde lange simultan von Protestanten und Katholiken genutzt. Das Stift bestand – mit beiden Konfessionen – letztlich noch bis 1810. Symbolisch für den Einzug der Reformation und des Protestantismus ist die vom Bielefelder Meister Hattenkerl kunstvoll gestaltete Kanzel. „Die Evangelisten, die in vielen Darstellungen eher steif dastehen, tanzen hier förmlich aus ihren Nischen heraus“, begeistert sich Ulrich Althöfer. Dieses „In Bewegung“-Sein fand eine aktuelle Korrespondenz in der von Pina Bausch inspirierten Skulpturen-Ausstellung von Karin Franitza-Oberschelp.
Die Herrschaftsverhältnisse in Bielefeld änderten sich: Nach dem Aussterben der Ravensberger fiel deren Besitz über die vereinigten Herzogtümer Julich-Kleve-Berg schließlich an die Brandenburger, die Preußen. Nach der Auflösung des Stifts wurde die Neustädter Marienkirche im frühen 19. Jahrhundert ausschließlich evangelische Gemeinde- und Garnisonskirche. Emporen wurden eingebaut, typisch für eine protestantische Predigtkirche. Der Lettner wurde entfernt; Apostelfiguren, die darin eingearbeitet waren, finden sich heute in der Altarwand des berühmten Marienaltars.
Im 20. Jahrhundert wurden die Emporen wieder entfernt. Es entstand in etwa der helle, weite Raum, wie er heute zu sehen ist. Bemerkenswert ist also, dass sich im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen stattfanden. Immer wieder wurde die Kirche neuen Verhältnissen und Bedürfnissen angepasst. Bis auf das Marien-Retabel steht nichts an seinem ursprünglichen Ort.
Erstveröffentlichung des Textes im Jahr 2014
Die Figuren dieser Krippe wurden von der Bielefelder Krippenkünstlerin Erika Höpner aus Ton von Hand modelliert. Alle Figuren sind somit Unikate. Der Stall aus ca. 400 Jahre altem heimischen Eichenholz wurde nach ihrem Entwurf gefertigt.
Die Künstlerin erhielt mehrfach Auszeichnungen für „vorbildliches Krippenschaffen“, u.a. den Ehrenpreis des Bischofs von Lüttich bei der größten internationalen Kirchen-Krippenausstellung Europas.
Nach ersten Überlegungen in der Gemeinde Anfang der 90er Jahre, wuchs die Krippe in mehreren Schritten zu ihrer heutigen Form.
Die Anschaffung der Krippe wurde durch Spenden im Marien-Cafe und weiteren Spenden ermöglicht. Der vierte König wurde der Gemeinde von der Künstlerin geschenkt.
Das hohe Spendenaufkommen ermöglichte es auch, die schwangere Maria und Josef bereits zu Beginn der Adventszeit auf ihrem Weg nach Bethlehem darzustellen.
Diese Besonderheit lässt uns das Paar durch die Adventszeit hindurch auf seinem langen Weg zum Stall hin begleiten, bis am Heiligen Abend alle Figuren um die Krippe herum versammelt sind und das Kind anbeten.
Wie in der Legende, die von ihm erzählt, verspätet sich der vierte König auch bei uns, aber kommt dann doch an der Krippe an.
Erika Höpner (2019)
nach:
Horst Zimmerling (im Jahr 2000)
In der neuen Mittelalterabteilung des Historischen Museums Bielefeld herrscht zur Zeit rege Bautätigkeit: Das bauzeitliche Maßwerk aus dem Ostfenster des Hohen Chores der Neustädter Marienkirche wird eingebaut. Die Arbeiten werden von einer Bielefelder Steinmetzfirma durchgeführt.
Nach dem Einbau des neuen Maßwerks in der Kirche waren die alten, stark verwitterten Sandsteinelemente unter Denkmalschutz gestellt worden. Ein Verbleib in der Kirchengemeinde stellte sich schwierig dar und wäre die "zweitbeste" Lösung gewesen.
Im Anschluss an ein zufälliges Kontaktgespräch mit einem Mitarbeiter des Museums und sich anschließenden weiteren Gesprächen folgte der entscheidende Presbyteriumsbeschluss unserer Gemeinde. Der Weg ins Museum und der Einbau in die neue Ausstellung waren möglich geworden.
So wird nun das Maßwerk den Besuchern als Schmuckstück der Mittelalterabteilung präsentiert.
P. Salchow
Der Bielefelder Marienaltar – ursprünglich ein Flügelaltar von ungewöhnlichen Ausmaßen – gilt als einzigartiges Glanzstück aus der Geschichte der Stadt Bielefeld.
Seine Mitteltafel adelt bis heute den Raum der Bielefelder Marienkirche wie ein kostbares Kronjuwel. In seiner handwerklichen Machart, in der malerischen Ausführung und geistigkompositorischen Durchdringung erreicht dieses Altarwerk Qualitäten, die Standards von internationalem Rang genügen: In seinen 31 Bildszenen sind böhmische, italienische, französische und flämische Einflüsse wirksam und zu einer eigenen Bildsprache im gesamten Kunstwerk weiterentwickelt.
Im Jahr 1400 vollendete der „Berswordt-Meister“, ein anonymer Maler, den Altaraufsatz, das Retabel. Der Künstler schuf einen umfassenden Bildzyklus, der Himmel und Erde, Gott und Mensch, Christus und Maria deutet. Die unten dargestellte Rekonstruktion der ursprünglichen Aufstellung verdeutlicht gut den Reichtum seines Schaffens.
Eine ausführliche Darstellung des Marienaltars finden Sie in der Universitätszeitung der Universität Bielefeld, Ausgabe 200/2000 und in den Zif: Mitteilungen 1/2001 (beides PDF-Download).
Zustand:
Alter Nutrahmen nicht erhalten. Mitteltafel mit Mittelbild und zwölf Szenen am alten Ort. 15 der 18 Flügelszenen an verschiedenen Orten:
Privatbesitz (7), Bielefeld, Neustädter Marienkirchen-Gemeinde (3),
New York, Metropolitan Museum (2), Oxford, Ashmolean Museum (1),
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, (1), Bielefeld, Stadt (1). Drei Flügelszenen verschollen, Darstellung bekannt: Heimsuchung Mariae, Geburt Jesu, Dornenkrönung.
Flügelaußenseiten verschollen, Darstellung nicht bekannt.
Maße:
Bestand: Mitteltafel: Höhe 175,7 cm, Breite 283,5 cm.
Bestand: Flügelszenen: Höhe 55,0–60,7 cm, Breite: 40,0–43,8 cm.
Rekonstruktion Höhe 2,23 m, Breite (geschlossen) 3,32 m, Breite (geöffnet) 6,64 m.
Standort:
Um 1840 über einem gestuften Unterbau auf dem Altar im östlichen Joch?des Stiftschores der Bielefelder Kirche St. Marien.
Dies entspricht wahrscheinlich dem Bestimmungs- und alten Aufstellungsort.
Rekonstruktion:
Maßstab 1:10.
Errechnetes Maß des verlorenen Rahmens, der gleich breit umläuft: 20 cm. Weitere Gestaltung des Rahmens und Bildunterteilungen unbekannt. Befund Zinnoberrot bei den Flügelbildunterteilungen.
Von: Iris Herpers, ZRW Gelsenkirchen und Götz J. Pfeiffer, Berlin.
Beilage zu:
Alfred Menzel (Hg.): Der Bielefelder Marienaltar. Das Retabel in der Neustädter Marienkirche, Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2001.