Die neue Perikopenordnung

Erstellt am 11.02.2019

Zum christlichen Gottesdienst gehören seit seinen frühesten Tagen das Vorlesen und Auslegen biblischer Texte und das gemeinsame Singen. Schon früh finden sich Listen, in denen biblische Erzählungen und Abschnitte gesammelt und zusammengestellt waren. Sie sind in wiederkehrenden Zyklen in den Gottesdienstfeiern gelesen werden.

Das hat sich über die Jahrhunderte hinweg bis heute nicht geändert. Im 8. Jahrhundert setzt sich für die biblischen Texte, die im Gottesdienst gelesen werden, der Begriff „Perikope“ durch – aus dem Griechischen übersetzt, bedeutet er „ringsumhauenes Stück“. Das beschreibt recht passend, dass diese Textabschnitte aus einem größeren Kontext entnommen sind, aber auch für sich selbst gelesen und verstanden werden können. Die Perikopensammlungen, die in Gebrauch waren, wurden stets überarbeitet, ausgewählte Bibeltexte wurden gegen neue ausgetauscht, manche blieben aber auch unangetastet. Zwischen Kontinuität und Erneuerung erklingen die Perikopen im Gottesdienst. Dort können wir als Gottesdienstfeiernde mit dem Wort Gottes in Berührung kommen.

Die Perikopen sind dem Kirchenjahr zugeordnet. Jeder Sonntag erhält sein besonderes Thema. 

Die Lesungen aus dem  Alten und  Neuen Testament nehmen dieses Thema auf. Hier kann es einen neuen Blickwinkel erhalten, in einer Geschichte oder einer Person nachvollziehbar werden, uns mit einem anderen Klang überraschen. Gleiches gilt für den Predigttext. Auch die Lie- der spiegeln das Thema. Was im Gottes- dienst gelesen und gesungen wird, ist also gar  nicht  willkürlich, sondern  entspricht im Idealfall einer planvollen Ordnung mit einem inneren Reichtum im Rahmen der Dynamik des Kirchenjahres.

Zum Beginn des neuen Kirchenjahres am 1. Advent erschien 2018 EKD-weit eine neue Perikopenordnung für die evangelische Kirche. Nach etwa 40 Jahren stellt sie eine moderate Überarbeitung dar. 

Grund zur  Freude  ist, dass  die  Anzahl der Texte aus dem Alten Testament zugenommen hat – im Vergleich zur alten Ordnung hat sich ihr Anteil verdoppelt und nimmt nun gut ein Drittel aller Lesungs- und Predigttexte ein. Etliche Erzählungen von den Frauen der Bibel sind hinzugekommen. Neu ist auch, dass nun Psalmen in die Auswahl der Predigttexte übernommen wurden –  die poetische Sprachwelt der Psalmen erhält so weitere Entfaltungsräume.
Das vielfältige Zeugnis aus dem Alten Testament kommt auf diese Weise zum Tragen und Klingen. Was seit dem frühen Christentum mit der Auswahl aus Altem und Neuem Testament begann, setzen wir heute fort: Wir stellen uns in diese Tradition und hoffen, dass für uns lebendig wird, wovon die alten Texte erzählen.

Auch im Blick auf die Sonntage des Kirchenjahreskreises gibt es eine Veränderung: Der Umgang mit der in jedem Jahr schwanken- den Zahl der Sonntage zwischen Epiphanias und dem ersten Sonntag der Passionszeit wurde neu geregelt. Die Epiphaniaszeit en- det mit Maria Lichtmess am 2. Februar. Da- durch kann es nun mehr Sonntage vor der Passionszeit geben.

Fremd und vertraut erklingt Gottes Wort le- bendig und wirksam im Gottesdienst, wenn wir es vorlesen ,auslegen, hören und annehmen. Das ändert sich nicht durch die neue Perikopenordnung, aber durch sie mischen sich neue Töne in denKlang.

Vikarin Dr. Heike Stöcklein